Die “Bowen Boys”
Es waren nur wenige Therapeuten denen Tom Bowen langfristigen Einblick in seine tägliche Praxis gewährte und sie dort mitarbeiten ließ. Bekannt sind über die Jahre nur sechs Männer. Sie alle hatten ihren eigenen Erfahrungs- und Ausbildungshintergrund. Es waren Chiropraktiker und Osteopathen, sowie ein Masseur. Sie haben Tom Bowen und seine Arbeit in unterschiedlichen Phasen seiner anhaltenden Entwicklung begleitet.
Nur einer seiner sechs “Boys”, wie Bowen sie nannte, hat ab Mitte der 80er Jahre begonnen seine Interpretationen von Tom Bowens Arbeit in ein Konzept zu gießen und als Kurs weiter zu geben. Dieser Mann, Oswald (Ossie) Rentsch, war Masseur und war als erster der Boys Anfang der 70er Jahre für 2 Jahre regelmäßig in Bowens Praxis. Sein Kurs, den Rentsch selbst anfangs noch dezent “An interpretation of Tom Bowens work” nannte, wurde binnen kurzer Zeit umbenannt zu “The original…” Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Bowtech, wie bei den anderen mir bekannten Varianten um effektive Formen der BowenTherapie. Inzwischen werden weltweit eine stetig wachsende Zahl anderer Interpretationen praktiziert und unterrichtet. Die meisten stellen Entwicklungen dar, die (u.a.) wissentlich oder unbewusst auf Bowtech fußen. Einige davon auch unter neuen Namen, die nichts über ihren Ursprung in der BowenTherapie verraten.
Eine glückliche Begegnung
Im Jahr 2009 hatte ich das Glück Romney Smeeton zu treffen, der Tom Bowen während dessen letzten 5 Lebensjahren in seiner Praxis begleiten durfte, und über seinen Tod hinaus noch 12 Jahre lang dort die “freien Samstage” aufrecht erhielt. Durch die Beschreibungen von Romney und einer Demonstration dessen, wie er Tom Bowen arbeiten sah wurde mir endgültig bewusst, dass wir uns heute auf einen Mann berufen, der die Art wie wir heute arbeiten, wenn wir es “BowenTherapie” oder Bowtech oder ähnlich nennen, sicher interessant gefunden hätte. Allerdings hätte er sich wohl gefragt, woher die Namensverwandtschaft zwischen ihm und diesem doch recht festgelegten Konzept herrührt.
Bowens Herangehensweise entsprang offenbar eher aus einem “unmittelbaren Verständnis” und der daraus folgenden ebenso unmittelbaren Klarheit darüber, was zu tun ist und ob er überhaupt helfen kann. D.h. es handelte sich eher um eine Form des Erfassens oder auch “Be-greifens” ohne die Notwendigkeit eines zugrundeliegenden elaborierten Verständnismodells.
Die BowenTherapie heute
Die meisten Therapeuten leben und arbeiten nicht aus der Gewissheit einer solchen unmittelbaren Klarheit. Sie brauchen als Struktur entweder ein Erklärungsmodell, welches ihnen erlaubt sinnhaft darauf abstellende Herangehensweisen zu entwickeln (wissenschaftliches Modell). Oder sie benötigen tradierte Vorgaben, denen sie dann folgen können und auf deren Basis sie wiederum eigene Erfahrungen machen, die sie wiederum weiter geben können (erfahrungsheilkundliche Herangehensweise).
Letzteres wurde von O. Rentsch und Bowtech geboten. Das ist keineswegs schlecht, sollte aber nicht mit der unnachahmlichen Arbeit Tom Bowens gleich gesetzt werden, die zwar Strukturen aufwies aber ganz offenbar immer individuell im Augenblick entstand.
Alle anderen mir bekannten Interpretationen knüpfen mehr oder weniger direkt an Bowtech an. Mit anderen Worten hat die Bowen Therapie in all ihren Formen noch ein unglaublich großes Entwicklungspotential. Das Ergebnis der Herangehensweisen aller Schulen ist dabei zweifellos auch heute schon sehr wirksam.
Wir sollten uns des Umstandes bewusst sein, dass sich jeder Versuch einer Verallgemeinerung – und damit per se jede lehrbare Form – von der individuellen, intuitiven Herangehensweise Tom Bowens grundlegend unterscheidet. Jeder Therapeut der mit BowenTherapie regelmäßig arbeitet wird aber die Methode immer mehr verinnerlichen. Auf dem Boden seiner Erfahrungen, seines Wissens und seiner Art zu behandeln und zu sein kann sich dann ein neuer individueller “Künstler” entwickeln – ein weiteres Original!